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Hallo liebe Menschen, liebe ungezähmte Kompliz*innen, liebe alte und neue Freund*innen feministischer Buchläden, liebe alle,

wir sind’s, glitch

der bald öffnende queerfeministische Buchladen in München, der die Tradition von Lillemor’s in der Barer Straße 70 fortschreibt. Und hier kommt er endlich – unser erster Newsletter! Erstmal dickes danke für eure Geduld und all die schönen Worte und Taten der Unterstützung, die uns bis hierhin schon erreicht haben. Ihr seid überwältigend. Und ziemlich cool.  Kleine Leseanleitung: Wer keine Lust auf blumige Worte hat, überspringe bitte 1.  Ansonsten viel Spaß beim Lesen! 

Das glitch Team
Johanna, Nadine, Sebastian, Stine

 1.    Blumige Präambel 

2.    Wir sind glitch! Aber wer sind wir? Und warum glitch?

 3.    Was ist schon geschehen? Was haben wir ab wann vor? 

4.    Welche Bücher tragen wir in den Laden? 

5.    Und nun?

1. Blumige Präambel

Letzte Woche erreichte uns dieses Foto von unserer Freundin Lena mit dem Untertitel „Lillemor’s in der U-Baaaahn!“

Wir fanden das überwältigend: Der erste Frauenbuchladen Deutschlands, den Andrea und Uschi bis zum Ende mit soviel Hingabe entgegen aller patriarchaler Zumutungen seit 1975 in München betrieben haben, taucht beiläufig beim Gscheidhaferl in den Zügen der MVG auf. Und das Archiv von Lillemor’s geht nun an die Monacensia und damit ins offizielle kollektive Gedächtnis der Stadt München über. Wir meinen: Lebensziel erreicht. Ursula, Andrea und all die weiteren Gründerinnen haben gemeinsam etwas auf die Beine gestellt, das bleiben wird und bleiben muss. Hut ab und DANKE euch für eure auf allen Ebenen politische und unbezahlbare (und gewiss häufigwirklich monetär unbezahlte) Arbeit!

Und doch – Lillemor’s wird schließen. Das war zumindest das Szenerio, mit dem wir konfrontiert waren, als wir vor knapp acht Wochen als Freund:innentruppe rund um die TU München und die Kunstakademie zusammenkamen. Die Vorstellung, dass der Laden schließen soll, hat uns bewegt: Es kann doch nicht sein, dass solch ein wichtiger historischer Ort einfach endgültig von der Bildfläche verschwindet; dass wieder einmal ein selbstorganisierter, politisch engagierter Buchladen für immer die Türen schließt. Das ist doch der Untergang von München! Na, des wollma ned.

Aus dieser ersten Zusammenkunft ist nun eine vierköpfige Kerngruppe geworden, die gemeinsam im Eiltempo viele Fragen angeht: Was hat queere, feministische Literatur eigentlich mit Inklusion, Kunst, Unterdrückung und planetaren Verwundungen zu tun? Was bedeuten Radikalität und Angepasstheit für Feminismus und politischen Aktivismus im 21. Jahrhundert? Können wir eine Lego-Rollirampe für den Laden bekommen? Wie kriegen wir den Teppich vom Estrich runter und was ist eigentlich ein Teppichstripper? Was bedeutet es für uns und für unseren Laden, dass wir einen cis-Mann in der Gruppe haben? Wie läuft eigentlich Crowdfunding? Wo hosten wir unsere Nextcloud? Wird Koda unser Ladenhund? Trauen wir uns das alles eigentlich zu? Und nicht zuletzt (nachdem wir voriges irgendwann einfach mal mit “Ja”beantwortet haben): Wie wollen wir heißen?

Und jetzt kommt hier unser erster Newsletter – unser „Hallo, Welt!“ – und das auch gleich mit neuem Namen (*Trommelwirbel*): glitch!  

2. Wir sind glitch. Aber wer sind wir? Und warum glitch?

„Wir“, das sind für den Moment Johanna, Nadine, Sebastian und Stine. Ab Oktober möchten wir Lillemor’s Erbe weiterleben lassen. Gleichzeit wollen wir aber auch Dinge anders machen, das Profil des Buchladens in eine queerfeministische Richtung öffnen und auch verwandte politische Themen mehr als nur streifen: Rassismus. Klima. Inklusion. Kunst. Intersektionalität. Technologie. Und vieles mehr. Diese Schritte wollen wir nicht allein machen. Getreu dem Motto “Bildet Banden!” wollen wir in eine Kollektivstruktur wachsen, mit der wir den Laden gemeinschaftsbasiert, solidarisch, kostendeckend (toi,toi, toi) und nach feministischen Idealen in eine gute Zukunft überführen können. Dazu bald mehr.

Wenn wir vier nicht gerade glitchen (fem. für „am-Laden-arbeiten“), findet ihr uns ander TU München, der Kunstakademie und der Hochschule für Philosophie. Wir beschäftigen uns zu unterschiedlichen Graden und in verschiedenen Kontexten mit queeren, feministischen, politischen, umweltgerechtigkeitsnahen, künstlerischen und technologiekritischen Themen. Uns verbindet, dass wir alle ziemlich gern mal euphorisch, mal selbstbefragend, mal zweifelnd, mal schillernd, mal wütend und mal schlicht staunend über Literatur, queerfeministische/kritischeTheorie, Comics, Magazine, Utopien, Widerstand und die alltäglichen Zumutungen der bestehenden Machtstrukturen – insb. der patriarchalen – reden. Und Beobachtungen anstellen. Und nach Flicken für schmerzhafte Risse im gesellschaftlichen und planetaren Zusammenleben suchen. Und gern mit Sekt anstoßen, wenn wir das Gefühl haben, einen kleinen Schritt weitergekommen zu sein. Wie zum Beispiel zum Moment der Namensfindung:

Denn seit August heißen wir glitch. Glitch (engl.), was ursprünglich aus dem Jiddischen (gletshn –rutschen, weggleiten) kommt, bedeutet so etwas wie eine Störung, ein Fehler im System. Das Wort glitch wurde in der Medien- und Techniklandschaft und insbesondere der Gamingszene geprägt. Für uns impliziert es Fragen wie: Was sind die kleinen Fehler und Störfaktoren, die vom (meist cis-männlichen und weißen) Designer nicht eingeplant wurden? Wie können glitches genutzt werden, um das Spiel zu „hacken“ und Machtverhältnisse zu den eigenen Gunsten umzudrehen? Wer definiert eigentlich, was ein Fehler ist – und was die Norm, von der er vermeintlich abweicht? Und gleichzeitig klingt glitch nach glitschen – nicht greifbar sein, sich den Be-Griffen entziehen,weggleiten, sich rauswinden und nicht vereinnahmen lassen. Wir fanden, das passt gut zu unserem Vorhaben. Mehr dazu im nächsten Newsletter. Wunderbar, dass ihr in der Zwischenzeit den Namen hinterfragt, feiert, diskutiert, zerlegt und beäugt – macht das gern baldigst bei uns im Laden mit uns 🙂

3. Was ist schon geschehen? Was haben wir ab wann vor?

Unser jetziger Plan ist: Eine Eröffnungsparty im Oktober 2023. Wahrscheinlich in der 2. Hälfte.

Bis dahin steht noch unendlich viel an:

  • Gründen (so richtig mit Rechtsform und so): im September. Zielbild ist momentan eine GmbH in Verantwortungseigentum + eingetragener (gemeinnütziger) Verein.
  • Kollektiv werden: im Oktober. Wir haben bereits viele tolle Menschen gefunden, die uns unterstützen (Küsschen gehen raus an alle, die sich hier angesprochen fühlen!). Ihr wollt mitmachen? Vielleicht sogar mit uns im Laden stehen? Ja, juhu! Schreibt uns unbedingt.
  • Kraut-Fun-Ding (oder auch Crowdfunding): bald. Wir zählen auf euch! Mehr dazu demnächst.

Was haben wir schon getan?

  • Wir haben (teilweise) renoviert. Und sind dabei.  
  • Wir waren im Fernsehen! Und in der Zeitung. Und im Radio. Das kommt bald.
  • Wir waren auf dem Abschlusspodium des 1. Queer Literatur Festivals München (Riesen Glückwunsch und sänks, Korbinian)!
  • Wir haben ganz schön viel pleniert 🙂

Hier ein paar Impressionen:

4. Welche Bücher tragen wir in den Laden?

Ooooohh lala, wir werden SO viel über Bücher reden und schreiben. In diesem Newsletter belassen wir es bei einem kleinen Einblick, was wir gerade selber lesen.

Nadine liest gerade Witches, Sluts, Feminists von Kristen J. Sollée. Sie feiert’s, weil es im Feminismus als Bruch mit heteropatriarchalen Normen empowert, die eigene Identität und den eigenen Körper in ihrer Selbstwirksamkeit und Kraft zu zelebrieren.

Stine (Anne Kristin) liest gerade “The Queens of Sarmiento Park” (“Im Park der prächtigen Schwestern”) von Camila Sosa Villada. Die zärtliche und humorvolle Sprache, mit der Sosa Villada die Kraft von Wahlverwandtschaften beschreibt und gegen die Erfahrungen von Hass und Brutalität in der argentinischen Trans-Community anschreibt, gefallen ihr daran besonders. Zu Stines Bedauern konnte die Autorin kurzfristig nur digital beim Literaturfestival in Louisiana erscheinen.

Sebastian liest viel zu viel parallel und möchte sich nicht entscheiden. Er hat sich auf der letzten Reise u.a. „All about love“ von bell hooks gekauft, in dem die durch ihre Arbeiten zu Intersektionalität bekannt gewordene Kulturtheoretikerin die Frage stellt, warum alle sogenannten „wichtigen“ Bücher über Liebe eigentlich von Männern geschrieben wurden – und wie sich in (post-)modernen Gesellschaften die allgegenwärtigen Verletzungen und Polarisierungen durch eine Besinnung auf Liebe als gemeinschaftsstiftendes Prinzip der Fürsorge überwinden lassen könnten.

Johanna hat grad einen nun nicht mehr so heimlichen Lesecrush auf Ren Aldridge, Sängerin und Songtextlyrikern der Punkband Petrol Girls. Ihr Zine „Cut & Stitch“ verhandelt auf inspirierend persönliche, unabgeschlossene, kämpferische und gleichzeitig liebende Weise Fragen von feministischer Befreiung, politischer Revolte, Perfektionismus und Kunsthandwerk – inspiriert von Donna Haraway. „We become with each other or not at all“ ist ein Mantra dieses kleinen, einfachen Kunstwerks, das sich laut Johanna auch gut als Mantra für ein Ladenkollektiv eignet.

Grad könnt ihr die Bücher ja noch nicht über uns bestellen. Wenn ihr sie gern lesen wollt, dann bestellt sie doch einfach im Buchladen eures Vertrauens – support your local everything und so 🙂

5. Und nun?

Jetzt machen wir erstmal das weiter, was wir eh schon machen: Laden renovieren, Verträge aufsetzen, virtuell unsere Regale füllen, Logo designen, unsere Website verschönern, als Kollektiv wachsen, Sekt trinken. Bald hört ihr wieder von uns!

Tschüssikowski und bis bald,
eure Johanna, Nadine, Stine und Sebastian von glitch

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